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Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen auf Facebook


BRAUNSCHWEIG – 18. Oktober 2022

Es ist gemeinhin bekannt, dass die Verwendung des Hakenkreuzes als Kennzeichen der Nationalsozialistischen Partei Deutschlands (NSDAP) strafbar ist. Die insoweit anwendbare Strafnorm des § 86a des Strafgesetzbuches (StGB) zielt nach Auffassung des Bundesgerichtshofs u. a. darauf ab, zu verhindern, dass verfassungswidrige Organisationen oder Bestrebungen erneut erstarken. Auch soll der Eindruck verhindert werden, es gebe eine rechtsstaatswidrige innenpolitische Entwicklung, die dadurch gekennzeichnet sei, dass verfassungsfeindliche Bestrebungen der durch das Kennzeichen angezeigten Richtung geduldet würden.

Mit dem Schutzzweck dieser Norm befasste sich nunmehr der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig in seinem Urteil vom 5. Oktober 2022 (Az. 1 Ss 34/22), dem folgender Sachverhalt zugrunde lag: Die Angeklagte postete auf ihrem privaten Account bei Facebook ein Muster eines „EU-Gesundheitspasses“, der ein negatives SARS-CoV-2 Laborergebnis auswies, sowie die Abbildung eines Gesundheitspasses aus der NS-Zeit versehen mit einem Hakenkreuz und dem Textzusatz „Die Geschichte wiederholt sich. Das Drehbuch wird immer billiger“.

Sowohl das Amtsgericht Osterode am Harz als auch das Landgericht Göttingen sprachen die Angeklagte von dem Vorwurf der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen frei. Strafbar seien nur Handlungen, die im Einzelfall geeignet seien, bei objektiven Beobachtern den Eindruck einer Identifikation des Handelnden mit den Zielen der verbotenen Organisation, deren Kennzeichen er verwende, zu erwecken. Bei dem Beitrag der Angeklagten stehe jedoch die Kritik an der Gesundheitspolitik im Vordergrund; nicht erkennbar sei, dass sie sich in irgendeiner Weise mit der nationalsozialistischen Ideologie solidarisch erkläre.

Die gegen diese Entscheidung eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft Göttingen hat Erfolg. Der 1. Strafsenat ist dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gefolgt und hat das Urteil des Landgerichts Göttingen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Das Landgericht habe zwar das auf dem abgebildeten Gesundheitspass aufgedruckte Hakenkreuz zutreffend als verbotenes Kennzeichen bewertet. Jedoch entspreche die einschränkende Auslegung des Merkmals „Verwenden“ in diesem Fall nicht der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung. Insbesondere stehe im vorliegenden Fall das vom Bundesverfassungsgericht formulierte Ziel der Strafnorm, das Kennzeichen aus dem politischen Leben zu verbannen und zu tabuisieren, einer Straflosigkeit entgegen. Eine Verwendung eines solchen Kennzeichens sei nur dann als straflos zu bewerten, wenn es offensichtlich zum Zweck der Kritik an der Vereinigung oder der dahinterstehenden Ideologie dargestellt werde. Der Bundesgerichtshof habe daher die Straflosigkeit in Fällen angenommen, in denen ein durchgestrichenes oder zerstörtes Kennzeichen genutzt worden sei, um gerade zum Ausdruck zu bringen, dass man sich von einer mit dem Kennzeichen in Verbindung stehenden Organisation oder Ideologie distanziere bzw. diese bekämpfe. Eine solche optische Distanzierung von der NSDAP oder deren Ideologie sei der tatgegenständlichen Abbildung des Hakenkreuzes nicht zu entnehmen. Auch handele es sich bei einem Post bei Facebook grundsätzlich nicht um eine lediglich flüchtige Verwendung des Kennzeichens, zumal auch die Gefahr des Weiterverbreitens bestehe.

Diese Entscheidung über die Aufhebung und Zurückverweisung ist nicht anfechtbar.

Angewendete Norm:

§ 86a Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1. im Inland Kennzeichen einer der in § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 oder Absatz 2 bezeichneten Parteien oder Vereinigungen verbreitet oder öffentlich, in einer Versammlung oder in einem von ihm verbreiteten Inhalt (§ 11 Absatz 3) verwendet […]

Artikel-Informationen

Ansprechpartner/in:
Frau Dr. Rike Werner

Oberlandesgericht Braunschweig
Pressesprecherin
Bohlweg 38
38100 Braunschweig
Tel: 0531 4882460 oder 0172 4115087
Fax: +49(0)5141 5937-34921

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