Artikel-Informationen
Ansprechpartner/in:
Frau Dr. Rike Werner
Oberlandesgericht Braunschweig
Pressesprecherin
Bohlweg 38
38100 Braunschweig
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OBERLANDESGERICHT BRAUNSCHWEIG – 17. Dezember 2024
Bei Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung sind Versicherungsnehmerinnen und Versicherungsnehmer regelmäßig verpflichtet, insbesondere auf Nachfrage, wahrheitsgemäß Auskunft über ihre gesundheitliche Situation zu erteilen. Machen sie falsche Angaben, kann dies die Versicherung im Einzelfall zu einer Anfechtung des Versicherungsvertrages berechtigen, mit der Folge, dass der Anspruch auf die Versicherungsleistungen entfällt. Aber was geschieht, wenn die Versicherung den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung aufgrund der gesetzlich normierten Ausschlussfrist (§ 124 Abs. 3 BGB) nach zehn Jahren nicht mehr anfechten kann, und der Versicherungsnehmer es genau darauf angelegt hat?
Eine solche Konstellation lag dem 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig in einem Berufungsverfahren (11 U 316/21) zur Entscheidung vor: Ein Versicherungsnehmer hatte trotz ausdrücklicher Nachfrage der Versicherung wahrheitswidrig verschwiegen, dass er vor Vertragsschluss unter psychischen Problemen gelitten und sich in Behandlung begeben hatte. In den folgenden Jahren war der Versicherungsnehmer unter anderem aufgrund psychischer Erkrankungen immer wieder krankgeschrieben und schließlich berufsunfähig. Er meldete den Versicherungsfall jedoch erst drei Tage nach Ablauf der 10-jährigen Ausschlussfrist.
Den Anspruch des Versicherungsnehmers auf Zahlung der Versicherungsleistungen hat der Senat – wie bereits das Landgericht Göttingen in erster Instanz – abgelehnt und die Berufung des Versicherungsnehmers ohne erneute mündliche Verhandlung mit Beschluss vom 11. Oktober 2023 zurückgewiesen.
Der Versicherung habe das Recht zugestanden, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten. Der Versicherungsnehmer habe seinen Gesundheitszustand „verschleiert“ und bewusst wahrheitswidrig den Eindruck erweckt, dass keine gesundheitlichen Einschränkungen vorhanden seien. Zwar könne die Versicherung den Vertrag aufgrund des Zeitablaufs nicht mehr anfechten, dennoch seien dem Versicherungsnehmer die Versicherungsleistungen zu versagen. Seinem Leistungsanspruch stehe in diesem konkreten Fall der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen, da er unter Verstoß gegen Treu und Glauben den Versicherungsfall absichtlich nach Ablauf der Anfechtungsfrist gemeldet habe. Damit habe er die Ausübung des Anfechtungsrechts durch die Versicherung gezielt vereitelt. Dies folge für den Senat daraus, dass der Versicherungsnehmer bereits ein Jahr zuvor gewusst habe, dass der Versicherungsfall eingetreten sei, diesen aber erst genau drei Tage nach Ablauf der Ausschlussfrist gemeldet habe. Bei einer anderen Berufsunfähigkeitsversicherung habe er dagegen sofort den Eintritt seiner Berufsunfähigkeit angezeigt. Damit habe der Versicherungsnehmer – so der Senat in seiner Begründung – in besonders schwerem Maße gegen seine Pflicht verstoßen, auf die Interessen der Versicherung Rücksicht zu nehmen.
Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 23.Oktober 2024 (IV ZR 229/23) die in diesem Verfahren eingereichte Beschwerde des Versicherungsnehmers gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen.
Angewendete Normen:
§ 123 Anfechtbarkeit wegen Täuschung oder Drohung
(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.
[…]
§ 124 Anfechtungsfrist
(1) Die Anfechtung einer nach § 123 anfechtbaren Willenserklärung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen.
(2) Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt, im Falle der Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört. […]
(3) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.
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