Artikel-Informationen
Ansprechpartner/in:
Frau Dr. Rike Werner
Oberlandesgericht Braunschweig
Pressesprecherin
Bohlweg 38
38100 Braunschweig
Tel: 0531 4882460 oder 0172 4115087
Fax: +49(0)5141 5937-34921
OBERLANDESGERICHT BRAUNSCHWEIG – 21. April 2022
Der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts hat mit Beschluss vom 19. April 2022 entschieden, dass das Landgericht Braunschweig erneut über die Wiederaufnahme des Strafverfahrens gegen den Angeklagten Prof. Dr. Winterkorn wegen Verstoßes gegen das Wertpapierhandelsgesetz (16 KLs 75/19) zu entscheiden hat. Mit Erfolg hat sich die Staatsanwaltschaft damit gegen die Entscheidung der 16. großen Strafkammer des Landgerichts Braunschweig vom 7. Februar 2022 beschwert, das Strafverfahren nicht fortzusetzen. Das Verfahren hatte die Kammer auf Antrag der Staatsanwaltschaft zuvor mit Beschluss vom 14. Januar 2021 gemäß § 154 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 1 StPO wegen einer erheblich höheren Strafandrohung und -erwartung in einem weiteren gegen den Angeklagten bei der 6. Strafkammer des Landgerichts anhängigen Verfahren wegen Betruges im Zusammenhang mit dem Einbau von Dieselmotoren (sog. NOx-Verfahren) eingestellt.
Dem Beschwerdeverfahren lag ein Antrag der Staatsanwaltschaft zugrunde, das vorläufig eingestellte Verfahren wiederaufzunehmen, nachdem die zuständige 6. Strafkammer das Verfahren gegen Winterkorn wegen Betruges zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung abgetrennt (nunmehr Az. 6 KLs 80/21) und zu erkennen geben hatte, die Verhandlung erst nach Abschluss des Verfahrens gegen die ehemaligen Mitangeklagten beginnen zu wollen. Diesen hat die 16. große Strafkammer mit der angefochtenen Entscheidung abgelehnt. Die Gründe, die zu einer Einstellung des Verfahrens geführt hätten, lägen weiter vor, und die zeitliche Verschiebung der Hauptverhandlung in dem Betrugsverfahren falle bei einer Gesamtabwägung nicht entscheidend ins Gewicht. So könne die 6. Strafkammer u.a. auf die Erkenntnisse aus dem gegenwärtig geführten Verfahren gegen die weiteren Angeklagten (6 KLs 23/19) zurückgreifen.
Der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts hat demgegenüber am 19. April 2022 (1 Ws 67/22) entschieden, dass die 16. große Strafkammer bei ihrem Beschluss nicht alle maßgeblichen Umstände berücksichtigt habe, weshalb der Senat diesen aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückgegeben hat. Der damaligen Einstellungsentscheidung der 16. großen Strafkammer habe die Erwartung zugrunde gelegen, dass der Angeklagte Winterkorn am Ende einer im Februar 2021 beginnenden Hauptverhandlung wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges verurteilt werde. Die Erwartung des Beginns der Hauptverhandlung zum damaligen Zeitpunkt habe sich aufgrund der Abtrennung und damit einhergehenden Verschiebung gegen ihn indessen nicht erfüllt. Zudem sei zu erwarten, dass sich die Verschiebung strafmildernd auswirke. Daher habe die Strafkammer zu überprüfen, ob die Annahme weiterhin gerechtfertigt sei, die zu erwartende Strafe in dem Betrugsverfahren rechtfertige die Einstellung des hiesigen Verfahrens. Auch habe sich das Landgericht nicht ausreichend mit einer – aufgrund der zeitlichen Verzögerung – drohenden Verjährung des eingestellten Verfahrens auseinandergesetzt.
Der Senat hat mit seinem Beschluss nicht abschließend über die Frage entschieden, ob das Verfahren wiederaufzunehmen ist. Diese Entscheidung ist allein von dem Gericht zu treffen, das die Einstellung beschlossen hat. Das Landgericht wird aber aufgrund der Entscheidung des Senats erneut über den Antrag der Staatsanwaltschaft zu entscheiden haben.
Angewendete Norm: § 154 StPO Teileinstellung bei mehreren Taten
(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,
1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt […]
(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen. […]
(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.
(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.
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