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Untersuchungshaft wegen Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot aufgehoben

OBERLANDESGERICHT BRAUNSCHWEIG – 24. April 2025

Der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig hat mit heutigem Beschluss (1 Ws 105/25) wegen Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot in Haftsachen die Entlassung eines zwischenzeitlich in erster Instanz verurteilten Angeklagten aus der Untersuchungshaft angeordnet.

Der Angeklagte wurde auf Grundlage eines Haftbefehls am 20. September 2023 festgenommen und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft. Auf die Anklage der Staatsanwaltschaft Braunschweig hin verurteilte ihn die 1. Strafkammer des Landgerichts Braunschweig am 30. September 2024 wegen Handeltreibens mit Cannabis und wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten (1 KLs 3/24). Daneben beschloss die Kammer die Fortdauer der Untersuchungshaft. Das Urteil ist nicht rechtskräftig; über die Revision des Angeklagten wird der Bundesgerichtshof zu entscheiden haben.

Die schriftlichen Urteilsgründe der Kammer gelangten innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist am 22. November 2024 zur Geschäftsstelle. Ein zur Geschäftsstelle gelangtes Strafurteil ist anschließend zuzustellen. Dies darf jedoch erst erfolgen, wenn auch das Hauptverhandlungsprotokoll vorliegt (§ 273 Abs. 4 StPO). Das Protokoll wurde in diesem Verfahren durch die Vorsitzende am 6. Januar 2025 fertiggestellt. Mit Verfügung vom selben Tag ordnete sie die Zustellung des Urteils nebst Protokollausfertigung an. Die Zustellung an den Verteidiger erfolgte schließlich am 20. Januar 2025.

Die Strafkammer lehnte mit Beschluss vom 1. April 2025 den (erneuten) Antrag des Angeklagten ab, den Haftbefehl u.a. wegen des Verstoßes gegen den Beschleunigungsgrundsatz aufzuheben.

Die dagegen gerichtete Haftbeschwerde des Angeklagten hat nun Erfolg: Die Fortdauer der Untersuchungshaft sei vor dem Hintergrund der eingetretenen Verfahrensverzögerung nicht gerechtfertigt, entschied der Senat. Das Landgericht habe es versäumt, zeitnah das Protokoll fertigzustellen und dem Angeklagten bzw. seinen Verteidigern die schriftlichen Urteilsgründe zuzustellen. Eine sachliche Rechtfertigung für die Verzögerung habe der Senat nicht feststellen können. Damit habe die Kammer gegen den in Haftsachen gebotenen, auf dem Freiheitsanspruch nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes beruhenden Beschleunigungsgrundsatz verstoßen. Dieser verlangt, dass die Strafverfolgungsbehörden und die Gerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um eine abschließende Entscheidung über den Anklagevorwurf mit der gebotenen Schnelligkeit herbeizuführen. Kommt es aufgrund vermeidbarer Fehler der Justizbehörden zu einer erheblichen Verzögerung, steht dies der Aufrechterhaltung des Haftbefehls regelmäßig entgegen.

Im Hinblick auf die Dauer der Untersuchungshaft des Angeklagten von rund 19 Monaten sei auch unter Berücksichtigung des staatlichen Strafanspruchs eine Fortdauer der Untersuchungshaft nicht zu rechtfertigen.

Artikel-Informationen

Ansprechpartner/in:
Frau Dr. Rike Werner

Oberlandesgericht Braunschweig
Pressesprecherin
Bohlweg 38
38100 Braunschweig
Tel: 0531 4882460 oder 0172 4115087
Fax: +49(0)5141 5937-34921

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