Artikel-Informationen
Ansprechpartner/in:
Andrea Dr. Tietze
Oberlandesgericht Braunschweig
Pressesprecherin
Bohlweg 38
38100 Braunschweig
Tel: 0531 488-2460
OBERLANDESGERICHT BRAUNSCHWEIG – 11. November 2020
Hat eine Lebenspartnerin nach der Trennung ein Umgangsrecht mit den während der Lebenspartnerschaft geborenen Kindern auch gegen den Willen der Kindesmutter, die die ehemalige Lebenspartnerin ist? Dies hat der 2. Familiensenat des Oberlandesgerichts Braunschweig mit Beschluss vom 5. Oktober 2020 (Az. 2 UF 185/19) unter bestimmten Voraussetzungen bejaht.
Die Beteiligten des familienrechtlichen Verfahrens waren durch eine Lebenspartnerschaft verbunden, wobei diese auch von dem Wunsch getragen war, zusammen Kinder großzuziehen. Im Wege gemeinsam beschlossener Fremdinseminationen gebar die Kindesmutter zwei Söhne, die nach der Trennung der beiden Lebenspartnerinnen bei ihr verblieben. Nachdem zunächst Umgangskontakte zwischen den Kindern und der anderen Lebenspartnerin stattfanden, kam es zu Konflikten und zur Ablehnung des Umgangs durch die Kindesmutter.
Der 2. Familiensenat des Oberlandesgerichts Braunschweig hat entschieden, dass die Lebenspartnerin ein Recht auf regelmäßigen Umgang mit den Söhnen hat. Dass sie für beide Kinder eine enge Bezugsperson darstelle, sei im Rahmen eines Zusammentreffens der Lebenspartnerin und der Kinder bei Gericht deutlich erkennbar gewesen. Überdies habe sie durch die Betreuung der Kinder tatsächliche Verantwortung für sie übernommen. Der Umgang diene auch dem Kindeswohl, da er die Bindung zu der Lebenspartnerin erhalte und den Kindern zudem ermögliche, im Sinne einer Identitätsfindung Klarheit über ihre Familienverhältnisse sowie über ihre eigene Herkunft und Entstehung zu erlangen, an der die Lebenspartnerin maßgeblich beteiligt gewesen sei. Die ablehnende Haltung der Kindesmutter könne dagegen nicht dazu führen, den Umgang zu verhindern, weil sie weder auf ernstzunehmenden noch auf am Wohl der Kinder orientierten Motiven beruhe.
Hintergrund:
Die derzeitige Gesetzeslage sieht zwar in vielen Bereichen eine Gleichstellung der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft mit der nichtgleichgeschlechtlichen Ehe vor, nicht jedoch hinsichtlich der Abstammungsregeln. Anders als bei einem Kind, das in einer Ehe geboren wird, wird zwischen einem Kind und einer eingetragenen Lebenspartnerin, die nicht die Kindesmutter ist, keine rechtliche Eltern-Kind-Beziehung begründet. Eine solche kann nach den geltenden Vorschriften ausschließlich durch eine Adoption herbeigeführt werden.
Diese gesetzgeberische Entscheidung wirkt sich auf viele verschiedene Ebenen der Beziehung zwischen dem Kind und der Lebenspartnerin aus, insbesondere auch auf das Recht, nach einer Trennung Umgangskontakte mit dem Kind durchzusetzen.
Als Bestandteil des natürlichen Elternrechts genießt das Umgangsrecht eines von den Kindern getrenntlebenden rechtlichen Elternteils verfassungsrechtlichen Schutz (Art. 6 Abs. 2 GG). Daraus folgt, dass Einschränkungen dieses Umgangsrechts nur in Betracht kommen, wenn dessen Ausübung dem Wohl des Kindes widerspräche.
Bei einem während einer Lebenspartnerschaft geborenen Kind gelten hingegen die engeren Voraussetzungen des § 1685 BGB. Eine Lebenspartnerin als „sozialer“ Elternteil kann den Umgang danach nur dann verlangen, wenn sie als Bezugsperson zu qualifizieren ist und der Umgang dem Kindeswohl dient.
Diese Voraussetzungen lagen nach Auffassung des Senats in dem zu entscheidenden Verfahren vor, weshalb der Lebenspartnerin das Recht auf einen regelmäßigen Umgang zugesprochen wurde.
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