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Nachruf auf Manfred Flotho, Präsident des Oberlandesgerichts a. D.

Foto des Manfred Flotho

Am 21. August 2021 verstarb im Alter von 84 Jahren der frühere Präsident des Oberlandesgerichts Braunschweig, Manfred Flotho. Mit seinem Tod verliert die Niedersächsische Justiz eine herausragende Persönlichkeit. Manfred Flotho hat durch sein tatkräftiges und erfolgreiches Wirken tiefe Spuren in der Justiz hinterlassen und sich große Verdienste um sie erworben.

Zu den besonderen Erfolgen des verstorbenen Präsidenten gehört die Zuordnung des Landgerichtsbezirks Göttingen zum Oberlandesgerichtsbezirk Braunschweig im Jahr 1998. Diese Entscheidung, der kontroverse und zum Teil heftige Diskussionen vorausgingen, die Manfred Flotho klug begleitet und gelenkt hat, hat die Zukunftsfähigkeit seines Heimatbezirks gesichert und ist heute als eine der bedeutsamsten und wichtigsten Organisationsentscheidungen der Niedersächsischen Justiz einzuordnen.

Mit dem Eintritt in die Justiz 1965 begann Manfred Flotho seinen außerordentlich beeindruckenden Berufsweg. In den ersten 15 Jahren war er als Richter sowie Vorsitzender Richter am Landgericht (ab 1976) im Landgerichtsbezirk Braunschweig tätig und überzeugte durch fachlich wie menschlich herausragende Leistungen. Diese führten dazu, dass er sodann in das Niedersächsische Justizministerium berufen wurde. Dort war er als Haushaltsreferent und später als Leiter der Zentralabteilung I in besonders verantwortungsvollen Positionen eingesetzt und trug maßgeblich zur Modernisierung der Niedersächsischen Justiz und deren stetiger Qualitätssteigerung bei. Besonders wichtig war ihm, hochqualifizierte Richterinnen und Richter für die Justiz zu gewinnen und sorgfältig auszuwählen. Auf sein Bestreben geht die Einführung des sogenannten Richterinterviews zurück, durch welches insbesondere die persönlichen und sozialen Kompetenzen von Richteramtsbewerbern eingeschätzt werden.

Nach fast 10-jähriger Tätigkeit im Justizministerium ernannte ihn Justizminister Remmers am 19. Dezember 1989 zum Präsidenten des Oberlandesgerichts. Die Geschicke seines Heimatbezirks lenkte Manfred Flotho umsichtig und eindrucksvoll bis zum Eintritt in den Ruhestand am 31. August 2001. Dabei war ihm zugleich die Leitung des Landesjustizprüfungsamts als dessen Präsident übertragen.

Auch als Präsident des Oberlandesgerichts lag Manfred Flotho die Rolle des Richters und dessen Auftreten und Agieren im gesellschaftlichen Kontext am Herzen. Ihm kam es darauf an, dass sich die Richterinnen und Richter ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst waren und zugleich in ihrem Tun den Menschen im Blick behielten. Demgemäß formulierte er: „Der Rechtssuchende darf nicht zum Verfahrensobjekt degradiert werden. Er ist als Mensch ernst zu nehmen und darf durch die Rituale des Prozesses nicht überfordert werden“ (in: NRB-Mitteilungsblatt Jan. 2006, S. 9).

Dieses Richterbild hat Manfred Flotho nicht nur propagiert, sondern auch selbst gelebt. Hiervon zeugt beispielsweise seine eindrucksvolle Prozessleitung als Vorsitzender der Schwurgerichtskammer im Jahr 1978 in dem medienwirksamen Prozess gegen Ferenc Sos. Hierzu schrieb der Spiegel im Februar 1978: „Wer über diesen Prozeß leichtfertig berichtet, wer über Ferenc Sos vorschnell den Stab bricht – den beschämt ein Gericht, das in beispielhafter Weise unvoreingenommen verhandelt“.

Manfred Flotho bleibt als bürgernaher und stets souveräner Richter in Erinnerung. Spricht man mit Angehörigen der Justiz, die ihn kannten und mit ihm gearbeitet haben, zeigt sich immer wieder die Bewunderung für seine natürliche Autorität, aber auch die Anerkennung für seine zugewandte und warmherzige Persönlichkeit. Manfred Flotho ist in vielen Reden, die in Erinnerung bleiben werden, für die Justiz eingetreten und hat sich in außergewöhnlicher Weise durch Ideen und Anstöße unvergesslich gemacht.

Die ehemaligen und aktiven Angehörigen des Oberlandesgerichtsbezirks Braunschweig trauern um ihren früheren Präsidenten und verneigen sich vor dessen Lebenswerk.

Wolfgang Scheibel

Präsident des Oberlandesgerichts Braunschweig



Fotovermerk: Stephan Hespos/Braunschweiger Zeitung
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