Urteil in Sachen Erbbauzinserhöhungen durch den Allgemeinen Hannoverschen Klosterfonds
Oberlandesgericht Braunschweig weist die Berufungen weitestgehend zurück und bestätigt das Landgericht Göttingen
BRAUNSCHWEIG Der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig hat mit Urteil vom 08.12.2011 über die Berufungen von 25 Beklagten gegen ein Urteil des Landgerichts Göttingen vom 07.10.2010, mit dem den Klagen des Allgemeinen Hannoverschen Klosterfonds (im Folgenden "Klosterfonds") auf Erhöhung von Erbpachtzinsen stattgegeben wurde, entschieden.
Der Senat hat die Berufungen weitestgehend zurückgewiesen und damit das Urteil des Landgerichts Göttingen bestätigt. Folge: Die beklagten Erbbauberechtigten werden künftig höhere Erbbauzinsen zahlen müssen.
Im Kern lässt sich das Urteil wie folgt zusammenfassen: Der Klosterfonds war berechtigt, den Erbbauzins entsprechend des Verbraucherpreisindexes nach oben anzupassen. Die von ihm vorgenommenen Berechnungen entsprechen der Billigkeit.
Einen Teilerfolg konnten 20 von 25 der Beklagten allerdings hinsichtlich des Zeitpunkts, ab dem die Erhöhung greift, erzielen: Eine vertragliche Regelungen, nach der die Vertragsparteien erstmalig nach Ablauf von 10 Jahren eine Überprüfung der Angemessenheit des Erbbauzinses verlangen können, ist nicht zwingend so auszulegen, dass schon die Zahlung eines veränderten Pachtzinses genau nach 10 Jahren geschuldet ist. Die entsprechenden Erhöhungsverlangen hatte der Klosterfonds damit zu früh gestellt. 20 der 25 Beklagten müssen daher erst mit einer dreimonatigen Verschiebung die Erhöhung dulden.
Nicht durchsetzen konnten sich die Beklagten mit ihrer Ansicht, die verfrühten Erhöhungsverlangen führten zur Unwirksamkeit. Auch der Einwand, die Berechnungen der Erhöhungen seien fehlerhaft oder unbillig berechnet worden, trifft nach der Entscheidung des Senats nicht zu.
Weiter führte das Gericht aus, dass der Klosterfonds die Anpassung am Maßstab der Verhältnisse des ursprünglichen Vertragsschlusses und nicht anhand der Entwicklung seit der letzten Erhöhung hätte messen müssen. Hieraus ergaben sich für das jetzt anhängige Verfahren keine Betragsänderungen; dies könnte jedoch eventuell für künftige Änderungsverlangen bedeutsam sein - allerdings ohne dass das jetzige Urteil hierüber entschieden hätte.
Das Urteil des Landgerichts Göttingen war Gegenstand umfangreicher Berichterstattung in den Medien.
Zum Hintergrund:
Der Klosterfonds bietet im gesamten OLG-Bezirk Braunschweig Baugrundstücke an. Diese werden aber nicht zum Kauf, sondern in Form eines Erbbaurechtes für eine Nutzung auf eine bestimmte Zeit - z. B. 99 Jahre - angeboten. Als Entschädigung zahlen die Berechtigten statt eines Grundstückskaufpreises einen Erbbauzins, der jährlich einem bestimmten Anteil des Grundstückswertes entspricht.
Im Volksmund spricht man von sogenannten "Erbpachtgrundstücken".
Der Streit geht um die Auslegung einer Wertsicherungsklausel. Danach kann der Klosterfonds nach einer gewissen Zeit die Anpassung des Erbpachtzinses verlangen, wenn dies unter Berücksichtigung aller Umstände nicht unbillig ist.
Die Beklagten sind der Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine Erhöhung nicht gegeben seien. Sie meinen vielmehr, schon seit Abschluss der Erbbauverträge einen überhöhten Erbbauzins gezahlt zu haben. Auch seien die formellen Voraussetzungen für die jeweiligen Erhöhungsverlangen nicht erfüllt. Weiter besteht Streit über den zutreffenden Maßstab der Billigkeitskontrolle.
Was ist das besondere an diesem Verfahren?
Der Klosterfonds hat bereits zahlreiche andere Erbbauberechtigte im gesamten OLG-Bezirk Braunschweig verklagt. Die Amts- und Landgerichte haben zu Lasten der Beklagten entschieden. Weil die Streitwerte einzelner Kläger die Summe für eine Berufung zum Oberlandesgericht nicht erreicht haben, ist dies - vorbehaltlich einer gütlichen Einigung - das absehbar einzige Verfahren, in dem es eine obergerichtliche Entscheidung geben wird.
Diese wird voraussichtlich erheblichen Einfluss auf die ausstehenden Entscheidungen von Amts- und Landgerichten in anderen Verfahren haben.
Artikel-Informationen
Ansprechpartner/in:
Ingo Groß
Oberlandesgericht Braunschweig
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